Trauermücken an Kakteen und anderen Sukkulenten – CactusPodcast – 016
Sciara-Fliege – wachsen die wirklich nur in billiger Erde? Mythos und Wahrheit.
Ein gefährliches Schwarz-graues Luftgeschwader
Da war ein Email:
ich habe meine Kakteen in neue Erde getopft. Jetzt, nach kurzer Zeit waren überall Trauermücken!
Sowas treibt mich echt um – denn das riecht nach einem voll fetten Fehler bei uns – und deswegen ist das heute Thema.
Was sind Trauermücken, wo kommen sie her, was haben sie mit Seereisen zu tun, sind sie überhaupt gefährlich – und wenn ja, was kann ich dagegen unternehmen?
Und es gibt heute noch einiges anderes:
Ich hab mich hingesetzt und geschaut, in welchen Abständen gibts was Neues hier im CactusPodcast. Denn: eine alte Podcaster-Weisheit besagt: Du musst regelmäßig neue Episoden ausspucken!
Aber ganz ehrlich: es fällt mir alles andere als leicht, regelmäßig meine geplanten Episoden auf die Bahn zu bringen.
In meinen ersten Podcast-Notizen steht ein Ziel: Alle 14 Tage eine Episode – allerdings war mir damals schon klar: Das wirst du nicht schaffen – noch neben deinem Job und allem was sonst noch in deinem Leben abgeht.
Also mache ich einfach was geht.
Das heutige Thema habe ich schon mehr als drei Wochen auf der Uhr.
Aber im Moment ist einfach zu viel los bei uns in der Gärtnerei. – Darüber könnte ich auch mal eine ganze Episode machen, vom Kaktusgärtner Alltag berichten. Könnte auch ganz spannend sein.
Eine kurze Cactusfarm-Geschichte von gestern erzähle ich am Ende dieser Episode …
Trauermücken an Kakteen und anderen Sukkulenten
Trauermücken – was ist das?
Was sind Trauermücken? – Ich glaube, jeder von uns ist ihnen schon begegnet. Kleine Fliegen, manchmal in Schwärmen, die scheinbar in der Blumenerde leben – und wo die auftauchen – da geht es den Pflanzen danach schlecht.
So ist der Ruf – und wir schauen heute: was stimmt davon eigentlich?
Was sind Trauermücken eigentlich – und womit kann ich sie verwechseln?
-
Bradysia spp. z. B. Bradysia difformis (nicht Paradisia, wie ich erst notiert habe)
-
sind Mücken und haben eine eigene Trauermücken-Familie – die Sciaridae – deswegen auch manchmal der Name Sciara-Fliege
-
sie leben im Schatten – der Name Trauermücke kommt von der dunklen Färbung von Körper und Flügeln – Trauermücke – wie der Schleier einer trauernden Witwe, das wird heute aber nicht mehr so häufig praktiziert, wir würden heute vermutlich eher an die Tönungsfolie für Auto-Scheiben denken – und daran erinnert der Farbton der Trauermücken auch – sowas wir anthrazit-transparent
-
der Trivialname Pilzmücke ist weniger bekannt – aber verweist zum Beispiel darauf, das mit dem Befall von Trauermücken oft auch ein Pilzbefall einhergeht
-
Trauermücken werden gern mal mit Obst- oder Essigfliegen in einen Topf geworfen – dorthin gehören sie aber nicht
Sind Trauermücken eigentlich überhaupt gefährlich?
-
erstmal ein klares Jain: die Mücke selbst tut der Pflanze nix – aber ihre Larven sehr wohl!
Woher kommen Trauermücken?
-
es gibt sie fast überall. Auf der Welt etwa 1800 Arten, in Europa davon allein 600
-
spannend ist: es gibt Trauermücken in allen Klimaten auf der Welt, also auch in der Antarktis oder oberhalb von 4000 Höhenmetern – und es gibt sie auch in Regionen in die sich spezialisierte Pflanzen wie unsere Kakteen zurückgezogen haben. Es gibt Trauermücken, die sich in der Wüste während der Extremtemperaturen in den Sand eingraben um sich vor Hitze oder Kälte zu schützen – Kaktus und Trauermücke kennen sich also schon von „zu Hause“
-
und noch ein Superlativ: die ersten Funde von Trauermücken sind schlappe 130 Millionen Jahre alt!
Wie werden Trauermücken verbreitet?
-
Trauermücken lieben es feucht, deswegen leben die meisten Arten im Wald, Mooren, auf Feuchtwiesen, in Feld und Garten
-
von dort werden sie vom Wind in die Welt gepustet – und das auf unterschiedliche Weise
-
hast du deinen letzten Strandbesuch noch in Erinnerung? Lagen da Holz oder Algen herum? Fliegen? – nein, vermutlich waren das Trauermücken – die machen nämlich Kreuzfahrten auf Treibholz und schippern so übers Meer und weil Trauermücken nicht so alt werden sind dann einige Generationen unterwegs
-
ein echter Superspreader sind aber wir Menschen, im besonderen unser globaler Handel: wir fahren Humus, Torf, Blumenerde und andere Landwirtschaftliche Produkte durch die Lande – und verteilen damit nebenbei die Trauermücken
Zeit für den ersten Mythos:
„billige Blumenerde ist die Quelle von Trauermücken“
… stimmt das?
Ja, teilweise ist das so. Denn billige Erde besteht zum Großteil aus billigen Torf, feinem Sand und im schlimmsten Fall unverrotteten Kompost – das mögen Trauermückenlarven – das verspricht leckere Umgebung.
Warum hebe ich das „billig“ so hervor?
Torf ist für die Produzenten von Pflanzenerden der wichtigste Grundstoff – egal ob man das gut findet, oder nicht, es ist im Moment ein Fakt. Wir bei Kakteen-Haage gehören zur Gruppe „eher nicht“ und arbeiten deswegen aktiv daran den Verbrauch von Torf zu reduzieren.
Zurück zum Abbau von Torf: die oberen Schichten im Torflager sind schon weiter zersetzt und feiner, haben weniger Struktur und oft ist Unkrautsamen – und hier wohnen auch die Trauermücken. Die tieferen Schichten sind noch nicht so weit verrottet und bieten bessere Struktur, steril, unkrautfrei und in der Tiefe sind auch keine Schädlinge zu finden. Damit ist der tiefer liegende Torf wertvoller – und das schlägt sich einfach im Preis nieder.
So wird also ein Schuh draus.
Aber: es genügt Torf oder humose Erde eine Weile feucht liegen zu lassen – und ich habe die schönste Trauermückenzucht am Hals. Sowas geht auch hervorragend mit unserer Kakteenerde.
Und es passiert auch mit mineralischer Erde wenn die Oberfläche lange genug feucht ist.
Also: Mythos bestätigt: billige Blumenerde kann eine Quelle von Trauermücken sein.
Wie und wann schädigen Trauermücken meine Pflanzen?
-
Leicht wird es für Trauermücken, wenn die Erde feucht ist – denn das sind optimale Bedingungen für sie
-
deswegen haben Pflanzen die jetzt im Sommer draußen stehen bessere Chancen (jetzt bei der Aufnahme scheint draußen die Sonne und es ist seit Wochen warm und trocken)
-
im Haus und auch im Gewächshaus gibt es keine natürlichen Feinde – deswegen können sie sich praktisch hemmungslos vermehren, und so entstehen große Schwärme binnen kurzer Zeit
-
Die erwachsenen Trauermücken schädigen aber keine Pflanze – gefährlich sind die Larven – die fressen an den Wurzeln und am Pflanzenkörper in der Erde und können so massive Schäden anrichten.
-
Wenn viele erwachsene Insekten unterwegs sind, dann können die sich vermehren und eine Masse Nachkömmlinge in die Welt setzen – besser gesagt eine Unmasse – das erklärt auch den Beinamen Heerwurm, denn manchmal treten die Larven genau so auf. Ich hab das gottlob selbst noch nie erlebt, aber das muss etwas von Heuschreckenplage haben
-
Trauermücke im Larvenstadium miniert im Wurzelbereich
-
diese Löcher machen es für Pilze und andere Schädlinge leichter und können so auch gut etablierten Pflanzen zu schaffen machen
Frag den Kaktusgärtner.
Heute kann ich aber erstmal etwas anderes ankündigen. Neu im CactusPodcast die Rubrik: Frag den Kaktusgärtner.
Das erwartbare: dort gibt es Antworten auf Fragen, die mir inzwischen ins Studio geflattert sind.
Jetzt schonmal danke dafür – denn es war einige spannende Geschichten dabei!
Die erste Frage hat mir Sandy Holländer via FB geschickt:
„Die Blüten an meinem Erdbeerkaktus fallen ab“
Der Erdbeerkaktus ist ein bisschen tricky – er hat im Vergleich zum normalen Gymnocalycium mihanovichii kein funktionierendes Chlorophyll um sich selbst zu ernähren. Deswegen hat der diese besondere Färbung – und deswegen braucht er eine Unterlage. Traditionell passen aber Unterlage und Pfröpfling leider nicht zusammen und sind deswegen ein etwas problematisches Gespann. Der Hylocereus, der für die Ernährung sorgt, kommt aus dem warmen Regenwald und mag es gern feucht – damit kommt aber die „Erdbeere“, also das Gymnocalycium nicht so gut klar. Deswegen sind diese Pflanzen eigentlich eher etwas für erfahrene Kakteensammler – die winken aber mit Grausen ab – die meisten Sammler rümpfen bei den Pflanzen eher die Nase – obwohl die Pflanzen das eigentlich gar nicht verdient haben.
Eigentlich ist das eher ein typisches Beispiel, wie Massenproduktion die Wertschätzung für eine früher extrem teure Pflanze zugrunde richten kann. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zurück zur Frage: es braucht ein bisschen Erfahrung mit den Pflanzen, um sie überhaupt erstmal zu Blüte zu bringen – das schafft nicht jeder. Insofern: Chapeau und Glückwunsch Sandy – soweit ist es doch schon ganz gut gelaufen.
Alles Weitere ist jetzt eine Frage von Fingerspitzengefühl: wir gönnen unseren Pflanzen im Winter (Oktober bis Dezember) eine leichte Ruhephase. Dann stehen sie kühl bei 16-18 °C und werden aber nicht ganz so trocken gehalten, wie die meisten anderen Kakteen. Das ist ein schmaler Grat, aber so gibt es einerseits Ruhe für die Blüteninduktion, aber auch die eher wärmeliebende Unterlage kommt nicht zu Schaden.
Alles Okay Sandy? Schick mir bitte ein Bild, wenn es im nächsten Jahr wieder Knospen gibt – ich drücke schonmal die Daumen!
Aber – ich werde den Spieß auch herumdrehen und Fragen fragen, die mich beschäftigen.
Kaktusgärtner Fragen sozusagen.
Das Coole am Podcast ist, vielleicht sind wir alle in 100 Episoden viel klüger und dann werde ich kichern über meine heutigen Fragen.
Hier kommt meine Frage für heute:
Peperomia rotundifolia und prostrata – kennt Ihr die Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten?
Special thanks to Simon Benson from Belgium who brought us to this topic.
Kennt Ihr Euch aus in Sachen Peperomia?
Wir haben uns bislang ganz schnöde an Egli und sein Sukkulentenlexikon gehalten. Und jetzt festgestellt, dass es nötig ist, auch da ganz präzise hinzuschauen.
Ich bin gespannt auf Eure Rückmeldungen. – schreibt mir mal: in der Facebook-Gruppe – oder einfach per Mail an studio@cactuspodcast.de
… und was habt Ihr für bisher gegen Trauermücken unternommen, wenn sie in Eurer Sammlung aufgetaucht sind?
Trauermücken im Detail – „die im Gewächshaus tanzt“
-
Gelbtafel hilft beim Identifizieren – zur Bekämpfung nur bedingt geeignet
-
3 mm groß, dunkel gefärbt mit langen Fühlern, zwei Flügel
-
das Imago ist ungefährlich – die Fliegen schädigen die Pflanzen nicht, sie leben nur noch eine Woche aber:
-
die erwachsenen Insekten sind zuständig für Paarung und Ei-Ablage
-
Larven: korrekt Maden 0,5-1 cm
-
Körper hell durchscheinend, schwarzer Kopf
-
leben 3-4 Wochen
-
in etwa der Hälfte der Zeit fressen sie an den Wurzeln und können bei starkem Befall Löcher in die Pflanze fressen und sie im Extremfall regelrecht aushöhlenich hab mal eine Pflanze gesehen, in der die Trauermückenlarven Party gefeiert habenhier wichtig zu verstehen: der Kaktus schon vorher geschädigt und die Larven sind in einen bereits laufenden Fäulnisprozess eingestiegen – das passiert zum Beispiel häufig bei älteren Pflanzen – leider ist das hin und wieder das Abschiedsritual von unseren Astrophytum Mutterpflanzen
-
Fehler: Übertöpfe oder Untersetzer mit Wasser – Vernässung – Fäulnis > Trauermücken
-
Kompost, Verrottung – das mögen Trauermücken sehr – deswegen hilft es, den Anteil an unverrotteten Bestandteilen im Rahmen zu halten – aber es würde sicher keiner auf die Idee kommen, eine angeknabberte Hühnerkeule in den Blumentopf zu stecken
Behandlung
-
Nematoden (Steinernema) – wirkt schnell – einfach gießen (aber keine Dauerwirkung)
-
Raubmilben – fressen auch alles mögliche andere, auch Tripse 120-250 je m² – langsamer
-
Bacillus thuringensis – gießen
-
Gelbtafeln – an der Pflanze aufhängen oder in den Boden stecken – funktioniert nur bedingt als Bekämpfung
-
Kulturführung – Pflanzenstärkungsmittel
-
Eiablage verhindern – (die Weibchen legen die Eier in die Erdoberfläche ) – das kann man einfach mit einer Schicht aus 2-5 mm Quarzsand verhindern
-
Erde sterilisieren / dämpfen – dazu hab ich in Episode 012 im Interview von Lothar Bodingbauer einiges erzählt – https://cactusblog.de/cactuspodcast-012-kakteenerde-interview-lothar-bodingbauer-mit-ulrich-haage/
-
witzige Ideen gegen Trauermücken:
-
Fleischfressende Pflanzen – Drosera
-
eine Feinstrumpfhose über die Pflanze ziehen, damit die Trauermücken nicht an die Pflanze kommen
-
-
und nochmal: ist teure Erde eine Antwort gegen Trauermücken?
-
teure Erden haben oft ein besseres Wasser-Management und eine gute Luftführung, das hilft gegen Trauermücken
-
aber – wenn die Erde zu feucht ist, weil die Pflanze in einem wunderschönen Übertopf steht – dann feiern die Trauermücken ein Fest
-
Zusammenfassung – die wichtigsten Punkte
1. Trauermücken – die Larven können bei Massenbefall auch für Kakteen gefährlich werden, wenn sie im Wurzelbereich minieren
2. billige und vor allem nasse Erde bieten ideale Lebensbedingungen für Trauermücken
3. die zwei besten Methoden gegen Trauermücken: Erdoberfläche mit 2-5 mm Quarzsand abstreuen, Nematoden (Steinernema) gießen – schnell und wirksam
Fazit:
Trauermücken können tatsächlich gefährlich werden, besonders wenn es eine extreme Invasion gibt und die Larven in großer Zahl in der Erde unterwegs sind.
Aber: es gibt dafür einfache Möglichkeiten, einem Befall etwas entgegenzusetzen.
Jetzt: wie ist das bei Euch?
-
hattet Ihr schon mal Trauermücken in Eurer Sammlung?
- gab es massive Schäden an den Pflanzen?
- was habt Ihr gegen die Trauermücken unternommen – und war das erfolgreich?
Schreibt mir: Facebook CactusPodcast Community oder Mail ins Studio – studio@cactuspodcast.de
Was kommt als nächstes?
Der Cactuspodcast kommt wieder mit der Episode 017 – worüber …
das nächste Thema kündige ich wie immer in der Facebook CactusPodcast Community an.
Habt Ihr Fragen?
Welche Themen soll ich mir in den kommenden Episode vornehmen?
Mehr vom CactusPodcast? Geht ganz einfach:
Sogar automatisch: jetzt gleich den CactusPodcast auf iTunes nein Apple Podcast abonnieren.
Bleibt weiter gesund da draußen!
Shownotes:
Was tun bei Trauermücken bei Kakteen?
- Gelbtafeln für das Trauermücken-Monitoring bei Kakteen-Haage
- Bildatlas Pflanzenschutz – Ulmer Verlag oder Amazon
-
Pflanzenschutz bei Kakteen und anderen Sukkulenten – Dr. Thomas Brand – DKG exklusiv – ISBN 978-3-00-029589-8
-
Quellen für das Buch:
- Neem Plus Schädlingsfrei 250 ml
- Spruzit Neem Schädlingsfrei 75 ml
Service-Links – ich bin Überzeugungstäter!
Keine Afilliate Links – ich erhalte keine Provision.
weitere Episoden zum Thema Schädlinge an Kakteen
- CactusPodcast 015 – Thripse
- CactusPodcast 003 – Spinnmilben
- CactusPodcast 002 – Wolläuse
CactusPodcast jetzt bei Apple Podcast abonnieren. Link: https://podcasts.apple.com/de/podcast/cactuspodcast/id1499357242
Hier geht’s zur Diskussion und mehr Informationen rund um den CactusPodcast – jetzt gleich in der Facebook-Gruppe anmelden: Link: https://www.facebook.com/groups/4080401532000332/
Über den Autor
im Podcast seit 2019
Blogger seit 2005,
Kaktusgärtner aus Passion - seit 1970,
... in einer Familie von Kaktusgärtnern seit 1822
... und Gärtner in der Blumenstadt Erfurt seit 1685
Trackbacks/Pingbacks