Feldnummern bei Kakteen

Wozu sind die Nummern hinter dem Nachnamen bei den Kakteen?

Da kommt man ins Grübeln. MG470.2, GN170-492, STO89-285/2 oder ganz einfach P240.
Natürlich sind das Feldnummern.

Aber ich gebe gern zu, bei meiner ersten Begegnung hatte ich als Erstes den Gedanken an einen Großbauern, der seine Felder nummerieren muss, um sie alle aufzählen zu können.

Gedanken über Feldnummern aus dem Kakteen-Haage Katalog Frühjahr 09

Dieser kleine Artikel über Feldnummern erscheint im Kakteen-Haage Katalog 2009 ab Mai

Wer steckt hinter den Nummern?

Heute weiß ich natürlich, hinter den Abkürzungen verbergen sich die Standorte, die Kakteenleute besucht und Pflanzen gefunden haben. Alle wichtigen Informationen, wie Bodenbeschaffenheit, Begleitvegetation und natürlich der genaue Standort werden in Feldbücher eingetragen, mit deren Hilfe sich später der Reiseverlauf und das dokumentierte Pflanzenmaterial gut nachvollziehen lässt.
Die führenden Buchstaben sind in den meisten Fällen eine Abkürzung des Namens der Person (z. B. AH für Andreas Hofacker oder KK für Karel Knize). Von besonders fleißigen Sammlern (z. B. Alfred Lau, Helmut Rogozinski oder Eberhard Lutz) werden sogar eigene Feldlisten gedruckt. Dort lassen sich anhand der Feldnummer der Pflanzenname und zusätzliche Informationen nachschlagen. Die möglicherweise umfangreichste Datensammlung zu einem Pflanzensammler wurde in Heidelberg im Projekt Scriptorium über die Aufsammlungen von Prof. Werner Rauh erstellt. Feldnummern sind weit mehr als trockene Zahlen – das hat Christof Nikolaus Schröder bei der Bearbeitung des Lebenswerks von Werner Rauh mehr als einmal festgestellt.

Feldnummern bei Kakteen-Haage

Wir arbeiten intern mit einer eigenen Feldnummerndatenbank in der neben den bekannten Daten zahlreiche, sonst nicht verfügbare Informationen aufgezeichnet sind. Das können zum Beispiel alte Aufsammlungen von frühen Pflanzenjägern sein. Auch vertrauliche Daten gibt es. Zum Beispiel, wenn der Sammler das wünscht, aber auch aus anderen Gründen. So werden die genauen Standortdaten (z.B. GPS-Koordinaten) heute nicht mehr veröffentlicht, denn zu oft wurden solche Informationen missbraucht, um Standorte gänzlich auszuräubern.

Für alte Hasen sind Feldnummern natürlich ein ebenso alter Hut, Meister Wilhelm kennt zum Beispiel die meisten Echinocereus-Feldnummern der nebst zugehöriger Pflanzenbeschreibung auswendig) 🙂

Ein einheitliches System für Feldnummern gibt es leider nicht. Darum gibt es Überschneidungen und mehrfach besetzte Nummern, bei andere Feldnummern sucht man manchmal lange, bis man sie entschlüsselt hat.

Die bekannteste Quelle für Feldnummern dürfte die Feldnummerndatenbank von Ralph Martin sein. In der Feldnummernsammlung von Christophe Ludwig finden sich in über 180.000 Einträgen neben den Kakteen auch unzählige andere sukkulente Pflanzen.

Verwirrende Feldnummern

Auch wenn die Feldnummern doch Ordnung schaffen sollen, manchmal stiften sie mehr Verwirrung als uns lieb ist. Warum ist das so?

  1. Doppelungen: die Abkürzung FK steht für viele verschiedene Sammler:
    • FK = Omar Ferrari, Roberto Kiesling, andere Kürzel: KF, OF
    • FK = Felix Krähenbühl
    • FK = Fred oder Friedrich Kattermann
    • FK = Friedel Käsinger, andere Kürzel: K
    • FK = Franz Kühhas, aktuelles Kürzel: KF
  2. Nummern ohne Aufzeichnung
    • mein persönliches Lieblingsbeispiel: wir haben Pflanzen mit der Feldnummer RH119. Bei Ralph Martin finde ich Echinomastus intertextus, Ralf Hillmann, Douglas n. Arizona, USA, 1400 m. Sicher ist nur: meine Pflanze ist ganz sicher kein Echinomastus sondern ein Echinocereus waldeisii. Auch eine Nachfrage bei Ralf Hillmann bringt für lange Zeit keine Erhellung. Den Weg zu Rudi Haas gibt es erst hier: Echinocereus waldeisii – Tula, Tamaulipas, Mexiko
  3. Nummern die keine Feldnummern sind
    • BN40 ist eine Nummer von beschlagnahmten Pflanzen, die aber später unter ebendieser Nummer wieder bekannt wurden, der Hintergrund ist nur wenigen bekannt
  4. Feldnummer vs. Standortnummer
    • Feldnummern können sich nicht nur auf Pflanzen beziehen, Friedrich Ritter (FR) bezeichnete mit seinen Nummern Standorte, an denen mehr als eine Pflanze verzeichnet war

Wie Feldnummernsystemen sich entwickeln:

… konnte man früher bei der Internoto nachlesen (aus 2007).

Die Praxis einer korrekten Numerierung der Funde hat sich erst in den letzten 35 Jahren entwickelt, wobei vielfach aus Fehlern gelernt wurde.
Als Horst & Uebelmann 1989 die Broschüre „25 Jahre HU“ veröffentlichten hat Urs Eggli im Vorwort auf die Unzulänglichkeiten der damals üblichen Praxis hingewiesen. So war es bis dato üblich, die HU-Nummern als Artennummern zu gebrauchen. Beispielsweise wurde HU 11 mit N. ottonis gleichgesetzt und die Pflanzen aus verschiedenen Habitaten mit dieser Nummer versehen. Das führte dazu, daß recht unterschiedliche Formen dieser Art unter einer Feldnummer verbreitet wurden. Des weiteren passierte es, daß mehrere Arten oder Formen unter einer Feldnummer aufgesammelt und weitergegeben wurden.
So haben die Arten N. arnostianus, ritterianus und curvispinus nur die gemeinsame Feldnummer HU 338. Andere Sammler gebrauchten ebenfalls die erste Nummer zur Artenzuordnung. Dirk van Vliet beispielsweise signalisiert mit DV 29, daß er diese Pflanze für N. erinaceus hielt. Nun hat er gottseidank hinter der ersten Zahl noch weitere Informationen notiert. So bedeutet DV 29a dann bei ihm eine erhebliche Abweichung. Wir halten die als DV 29a bezeichneten Pflanzen heute für N. sellowii-Formen.
Dirk van Vliet hat durch weitere Zahlen hinter einem Querstrich die genauen Fundorte numeriert. Ähnlich verfuhr Friedrich Ritter, bei dem ein kleiner Buchstabe hinter der Nummer immer taxonomische Relevanz hatte: FR 1027, FR 1027a, 1027b, 1027c usw. – das sind nach seinem Werk „Kakteen in Südamerika“ nun Varietäten des N. arechavaletae aus verschiedenen Gegenden.
Verwirrend wurde es für die Liebhaber, wenn neben den kleinen Buchstaben hinter der Nummer manchmal die aufgesammelten Wildpflanzen durch große Buchstaben oder Zahlen aufgelistet wurden. Seit einigen Jahren ist es üblich, jeder Population eine neue Nummer zu geben, auch wenn sie nur wenige Kilometer von einer anderen entfernt ist. Das gleiche gilt für den wiederholten Besuch von Fundorten, auf denen man schon Feldnummern gegeben hat. Hier wird auch eine neue Nummer vergeben mit dem Hinweis auf die alte. Selbst Populationen, von der man kein Pflanzenmaterial entnommen hat (was ja nach den Artenschutzbestimmungen kaum mehr möglich ist), gibt man eine Nummer zur Dokumentation des Vorkommens.

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Retrospektiv:

Das ist ein kurzes Lebenszeichen aus der Klausur. Ich arbeite seit drei Wochen am Kakteen-Haage Katalog für das Frühjahr 2009. Bis Ostern müssen die Druckdaten fertig sein, ich bin wie man so schön sagt in der heißen Phase. Darum sitze ich in meiner Kemenate und lasse niemanden von draußen rein. (auch die meisten Blogeinträge der letzten Tage waren Aufsammlungen, die ich im Laufe der Zeit zusammengetragen hatte). Dieser Artikel stammt teilweise aus dem neuen Katalog, der Ende April versandfertig sein soll.

[letzte Überarbeitung im April 2020]

Über den Autor

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... in einer Familie von Kaktusgärtnern seit 1822

... und Gärtner in der Blumenstadt Erfurt seit 1685