Gewissermassen im Regierungsauftrag bin ich unterwegs, ich hole fuer die thueringer staatskanzlei Steine aus der Wismut.

Fuer alle, die damit nichts anzufangen wissen: die ‚Wismut‘ steht fuer das wichtigste deutsche Uranabbaugebiet, gelegen rund um Ronneburg bei Gera.

Bis 1949 wurde hier Uranangereicherte Pechblende fuer Hitlers Atomwaffenentwicklung gefoerdert. Kurz nach dem Krieg wurde das gefoerderte Gestein von der russischen Bestzungsmacht gebraucht. Den Kumpels, die ueber und unter Tage arbeiteten, wurden fuer DDR-Verhaeltnisse traumhafte Bedingungen geboten. Ueber die Gefaehrdung durch das Strahlende Gestein streiten sich die Fachleute noch heute.

Nach der Wende kamen die ersten Rueckbauplaene. Mit der Konzeption fuer die Bundesgartenschau 2007 in Gera und Ronneburg wurde es konkret. Eines der groessten Erdmassenbewegungskonzepte Europas wurde ins Leben gerufen. Die welteit groesste Caterpiller-Flotte der Welt begann die ueber xxx m hohen Kegelhalden abzutragen und Schaechte und Tagebaugruben zu vefuellen. Dazu sollen ueber xxx m3 Abraum bewegt werden.

Doch zurück zu meiner Mission:
Im Vorfeld machte ich mir so meine Gedanken. 1000 faustgrosse Steine wollte ich holen. PKW oder Transporter? Die nette Dame am Telefon meinte, in einen PKW passt es nicht, aber ein Kombi wuerde reichen. Dann ist die A-Klasse doch ein Kombi. Ich ahnte nicht wirklich, in welchen Einheiten dort hantiert wird.

Ohne grosses Suchen fand ich die Zufahrt – immer dem schwarzen Schlamm nach. Am Sperrschild ueberlegte ich kurz, ob ich ein Anlieger sei, schliesslich bin ich mit vier Jahren schon mal von der Grenzpolizei im Sperrgebiet aufgegriffen worden, als sich meine Eltern auf einer Wanderung im Schnee verlaufen hatten.

Der Wald unwirklich idyllisch, nur ein Multicar mit zwei Maennern die Holz klauten stoehrte die Natur. Hinter einer scharfen Kurve oeffnete sich der Blick auf eine Industriekulisse. Das Schild, dass vor dem massiven Gefaelle warnt, konnte ich kaum im Augenwinkel registrieren als die Strasse vor mir schlagartig verschwand. Steil und gerade ging es zu Tal. In der Talsohle die Reste eines Sicherungspostens, danach ein Gleisanschluss und dann ging es ebenso steil wieder bergauf, noch zwei Spitzkehren und dann eine Schranke direkt vor der Einlasskontrolle. Die Panzersperren und Mpi-Posten haben die sicher nur versteckt, dachte ich mir, und hinter der Schranke liegt der goldene Westen. Dort fahre ich jetzt hin.

Das mit dem Graben, das haette meinem Cowboyfort im Sandkasten vor 27 Jahren noch gefehlt, da kommt keiner ungesehen durch. Logisch, dass meine erste Frage an den Mann vom Wachdienst lautet, wessen Dienststelle er beerbt hat. Etwas mehr als die Volkspolizei haette ich allerdings erwartet.

Auf dem Gaesteparkplatz darf ich auf meine Abholung warten. Die Kameras sind aber gut versteckt denk ich mir. Sogar einen Busshuttle gibt es hierher – ob das nicht ein Sicherheitsrisiko ist? Ein rundumleuchtender Multicar haelt hupend. Erich – der Waechter oeffnet beflissen die Schranke zurueck in die DDR, da will der Kumpel in Blau aber offensichtlich nicht hin.

Glueck Auf! sagt er zu Erich, „wo ist der Kumpel mit den Steinen?“

Ich freu mich, so schell dazuzugehoeren und fahre dem Multicar nach. Nicht so einfach, der ist die Bodenwellen vermutlich gewoehnt. Frage mich, womit die das Kopfsteinpflaster so zerfahren haben. Ueberall stehen hier grau gepuderte Hallen mit Toren die eher aussehen wie ein Offenstall. Der Multicar ist verdammt schnell um nebenbei noch zu schauen. Auf der Strasse liegt eine grosse Gummiwalze mit schraegen Rillen, sieht aus wie ein Traktorreifen nach Hormonbehandlung. Der Multicar verschwindet in einem grossen Offenstall. An der Stirnwand sehe ich 4 meter hoch gestapelt frisch gesaegtes Holz. Hier wird das also hingeklaut. Wer weiss wozu. Vielleicht machen die Holzkohle. Dann entdecke ich einen laecherlich kleinen Stapel mit roten Fleischerkisten neben dem Multicar.

Die Kumpels grinsen, als die erste Kiste im Kofferaum steht. Bis die letzte verstaut ist, hat sich die Strassenlage meines Kleinwagens erheblich veraendert, was die Kumpels zu einigen spoettischen Bemerkungen verleitet.

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Hier endet leider mein schöner Bericht – vermissen lässt er meinen Schock, als ich vor der Riesenhalle plötzlich neben einem dieser Tagebau-Giganten stehe – und später Angst bekomme, als ein ganzer Konvoi davon blinkend auf seiner eigenen Autobahn dahindonnert und ich den Weg kreuzen soll. Später auf der Heimfahrt sehe ich die Ungetüme wie eine unendliche Silouette-Kette vor der untergehenden Sonne auf dem Kippen-Kamm entlangdonnern.

Die Steine – ob nun strahlend oder nicht – werden später ein Gastgeschenk in Berlin sein – dort wo Thüringen in seiner Vertretung in der Mohrenstrasse sich für die Bundesgartenschau in Gera-Ronneburg bewirbt.

Erfolgreich.

 

… unterwegs getippt auf meinem PDA ‚Zaurus‘ (Sharp) – die amerikanische Tastatur kennt keine Umlaute.

Über den Autor

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