Die vergangene Woche bin ich jeden Morgen am BFI IMAX London Waterloo vorbeimarschiert, um meinen Zug zu erreichen. Nachdem ich meinen geplanten Wochenendbesuch bei David Hunt absagen musste, war plötzlich jede Menge Zeit frei geworden. Jeden Morgen stach mir das riesige Avatar-Plakat ins Auge (nur Alice in Wonderland war noch größer – Filmstart war gestern). Ich hatte es bislang noch nie bis in ein IMAX geschafft und hatte auch noch keine Zeit gehabt Avatar zu sehen. Nachdem die Kritiken ziemlich wiedersprüchlich waren – mach ich mir doch einfach selbst ein Bild.
Andrea wollte mich ggf. begleiten – also schnell zwei Karten buchen.
Mist! die späte Abendvorstellung um 23.45 Uhr ist schon ausgebucht. Die um 9.15 ist zwar verflixt nah an unserem geplanten Abendessen, aber wenn es denn so sein soll.
Hm. Komisch, alle Plätze sind weiß und sagen nicht buchbar. Ich starte noch einmal und siehe da, jetzt ist auch 9.15 ausgebucht. Grummel – na gut dann eben Avatar in der Kindervorstellung: 3.15 Uhr. Oh – ich glaube es nicht, ich erwische tatsächlich den vorletzten Platz – jetzt ist nur noch einer in der letzten Reihe frei und es ist ja nur noch wenig Zeit. (Andrea wollte nicht in die Nachmittagsvorstellung). Als nächstes poppt ein Fenster auf, erzählt was von 24 Stunden Zeit und Early Morning Screen. Autsch – das ist keine Kindervorstellung, das ist maximal late Partytime – und viertel nach drei in der Morgenstunde eigentlich nicht mehr meine Zeit. Kurze Überlegung – lets go for it!
Ich habe ein Ticket, jetzt muß ich nur noch nicht einschlafen.
Am Abend marschieren wir erstmal nach Covent Garden zu einem neuen Mexikaner den Andrea empfohlen bekam. Mexican Market Food – Wahaca heißt das Restaurant und es soll in der Szene sehr angesagt sein. 66 Chandos Place – ist in dem Viertel, in dem sich die Theater aufreihen, darum ist die Zeit vor und nach den Aufführungen eine schlechte Wahl. Reservierungen werden nicht angenommen, sagt man am Telefon – „aber im Moment ist es noch recht leer“, die Wartezeit könnten wir an der Bar überbrücken.
Von aussen sieht es unscheinbar aus, ein paar Kisten mit Limetten und Chillies stehen im Fenster, das Restaurant ist im Keller und erst hier sehen wir die Bescherung und wie angesagt der Laden ist. „Recht leer“ bedeutet: die Treppe steht voll mit potentiellen Anwärtern für einen Warteplatz (!) auf einen Platz im Restaurant. Wir bekommen einen Platz auf einer mehrseitigen Warteliste und einen Buzzer, wie ich sie in den USA in einer Entbindungsstation mal gesehen habe. Die Bar ist brechend voll. „You must use your ellbowes – don’t be shy“ sagt Andrea und wir versuchen ein Bier zu ergattern. 1 1/2 bis 2 Stunden hat man uns in Aussicht gestellt. Egal – ich will wissen, was dahinter steckt. Wir stecken 3 Bier, 1 Tequila, 1 Sangria, 1 x Chips und 1 x Schweineschwarten-Chips in die ersten 100 Minuten – die ersten 25 Pfund sind schon mal investiert, bevor wir überhaupt saßen. Ich glaube mein Freund Uli würde ziemlich neidisch auf einen solchen Ansturm auf seine Gastronomie sein. Andrea ist hingegen sauer – sie entdeckt immer wieder Gäste, die sie nach uns hat kommen sah – in der Tat unser Buzzer ist defekt. Dafür sind wir ausgezeichnet vorbereitet – wir können die Karte fast auswändig und haben schon unsere Wünsche notiert – es kann also losgehen.
Unsere waitress ist freundlich, tschechisch, wie die meisten ihrere Kolleginnen, aber sie ist ebenso wie die Küche etwas vom Ansturm überfordert. Das Restaurant hat offiziell 104 Plätze, allerdings werden aus allen möglichen Ecken neue Stühle gebracht, so vermute ich mit diesen „Aufbettungen“ kommt der Laden auf gut 130 Plätze. Die Logistik ist wirklich bis ins letzte Detail optimiert, dennoch aber dem Samstag Abend nicht gewachsen. Ähnlich der spanischen Tapas bestellen wir leckere kleine Häppchen die zwischen 2 und 4,50 Pfund kosten, für Londoner Verhältnisse recht günstig, die Hauptgerichte liegen zwischen 6 und 12 Pfund. Fusion nennt man diese Art von Küche – sie soll dem lokalen Streetfood der mexikanischen Märkte nachempfunden sein, andererseits aber auch kreativ sein und einheimischen Geschmack treffen. So entstehen Gerichte wie Shredded Herring (Heringshack) oder marinated British Beef . Es ist eine Mischung die bei mir auf der Skala zwischen originell und interessant landen würde. Am unterhaltsamsten ist einfach der Laden und die Leute. Zwei Dinge bekommen von mir das Prädikat außergewöhnlich: das sind die ganz simplen Tortillas con Frijoles (Maisfladen mit schwarzem Bohnenmus) und es ist der wunderbare Mojito. Zwischendurch schwanken wir beide zwischen Begeisterung und Enttäuschung. Side-orders gehen manchmal verloren, mein Espresso ist kalt, Andrea möchte Mole bestellen – damit sie sich richtig entscheiden kann bekommt sie ein kleines Schälchen vorher zum kosten – wie gut – denn diese Mole ist nicht so ganz ihr Geschmack. In summa war es ein sehr schönes Abendessen – aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los – ich muß doch mal nach Mexiko – und wenn es nur darum geht, die Küche mal im Original zu erleben.
Als nächstes erlebe ich erstmal meine 3D-Film Premiere. Ich tappe pünktlich um viertel vor 3 Uhr raus in die kalte Dunkelheit – friere wie ein Hund und frage mich, was all die Leute zu der Zeit hier auf der Straße treiben. Zwischen Temple und Embankment ist noch Party auf der Straße, ich mache mir so meine provinziellen Gedanken, die Mädels sind hier mindestens ebenso dicht wie die Jungs die sich gegenseitig mit Eiswürfeln und Bier bewerfen. Auf der Waterloo Bridge ein schöner Blick auf die nächtliche Stadt und eine scheinbar völlig stille Thamse. Auf der Brücke torkeln vor mir zwei Mädels barfuß – die Pumps waren offensichtlich schlimmer als die Kälte an den Füßen.
Im Kino sind nur wenige Leute, die noch auf die Tickets warten. Offensichtlich ist die Sache mit der Early Morning Show vielen durch die Lappen gegangen, das Kino ist nicht wirklich so besetzt, wie es ausgebucht war. Bewaffnet mit einer 3D-Brille warte ich auf den Film. Es gibt eine kurze persönliche Einführung (mit den inzwischen üblichen Copyright-Hinweisen und dann gehts los. Die beiden 3D-Trailer für Alice in Wonderland und Tron sind eine gute Einstimmung für mich, das weiße Kaninchen wirft mit einer Tasse, die meinen Kopf nur knapp verfehlt. Ich springe zur Seite und freue mich, dass ich jetzt nicht auf dem Schoß der Japanerin zwei Sitze weiter lande. Wir kichern beide. Beim nächsten mal bin ich vorbereitet.
Der Film zieht mich völlig in seinen Bann – darüber muß ich noch etwas nachdenken. Ich bin jedenfalls begeistert, gebe aber zu, es ist mehr Handlung als Inhalt, letzterer beschäftigt mich allerdings nach 12 Stunden immer noch.
Als ich beschwingt das Kino verlasse ist die Dämmerung schon weit fortgeschritten, es ist halb sieben, als ich zu Hause eintreffe. Zweieinhalb Stunden später ruft mich Michael an.
Auch gut, dann schlafe ich eben heute Abend, morgen früh gehts schon die erste Etappe wieder Richtung Deutschland 🙂
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... in einer Familie von Kaktusgärtnern seit 1822
... und Gärtner in der Blumenstadt Erfurt seit 1685