Alles Auskenner!

Immer wenn es heiß ist in unserem Land, kennt sich jeder plötzlich mit Kakteen aus.
Im September wurde mir mal wieder gesagt: „deine Kakteen sind doch die Gewinner beim Klimawandel – die brauchen kein Wasser und kommen gut mit Hitze zurecht“. 

„Nein!“ habe ich geantwortet – und war schon wieder geladen, „Auch unsere Kakteen leiden unter der Änderung des Klimas, wir haben in diesem Jahr erstmals massive Schäden durch Sonnenbrand feststellen müssen. Sonnenbrand an Kakteen! Das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen!“

Große Augen und betretenes Schweigen waren die Antwort.
Was mich daran ärgert – und an der Aussage: „Wir müssen einfach Bäume aus wärmeren Regionen bei uns pflanzen – dann ist doch alles wieder gut.“ – es ist nur das Herumbasteln an den Symptomen, bloß um nichts an den Ursachen ändern zu müssen.

Alles gut?

Wirklich? – Pustekuchen!
Ich sehe es am Beispiel unserer Stadt Erfurt: es ist ein Ringen, ein Wettlauf.
Es ist ein Trugschluss, dass die Natur sich selbst rettet – zumindest nicht, solange wir Menschen im System mitspielen.
Wir müssen dafür sorgen, dass die Natur in der Stadt überleben kann. Bäume pflegen, sie gießen und auch bei der Auswahl aufpassen.
Bei uns in Erfurt haben viele Stadtbäume im vergangenen Jahr zusätzliche Wassertanks auf die Wurzeln bekommen, die schützen und sorgen für Feuchtigkeit.
Viele Erfurter werden selbst aktiv und übernehmen Baumpatenschaften, sie pflegen den Straßenbaum vor ihrer Haustür.
Das ist, was wir brauchen: Menschen die verstehen und handeln.
Und weil heute der 7. Oktober 2019 ist:
die Frau, der ich auf der Treppe im Garten- und Friedhofsamt entgegen kam und die gerade ihre Baumpatenschaftsurkunde mit einem Lächeln in die Tasche schob; ich würde mich nicht wundern, wenn diese Frau auch heute vor 30 Jahren schon einmal zu denen gehört hat, die verstanden und gehandelt haben und mit bei den ersten Montagsdemos gewesen ist. Nicht um zu krakeelen, sondern um Teil einer Veränderung zu sein.

Und jetzt?

Und genau das ist, was mich sauer macht bei dem Gedanken, Kakteen könnten doch die Lösung für die Klimaveränderung bringen: es zeigt unsere Mentalität der vergangen Jahrzehnte: „wir schrauben ein bisschen hier, verbessern dort ein wenig – und schon ist wieder alles gut“.

Nein – ist es nicht! Wir müssen die Ursache verändern!
Kakteen können uns auch nicht die abgebrannten Amazonas-Wälder wiederbringen!
Ich pflanze Bäume. Haben die Haages schon länger gemacht. Das Arboretum auf dem Grünen Campus vor der Fachhochschule, die Krämpfer Gärten in der Leipziger Straße ist heute eine kleine Referenzsammlung und einer meiner Lieblingsorte in Erfurt. Früher wurden hier im Garten die Gäste der Gärtnerei Haage & Schmidt empfangen.

Was können wir machen?

Mein Urgroßvater, später auch mein Großvater haben hier auf der Cactusfarm auch eine kleine Baumsammlung angelegt – der ich bis heute immer wieder etwas Neues hinzufüge. Und es ist schön zu sehen, was in 100 Jahren wachsen kann.
… aber das ist eine ganz eigene Geschichte für später …

Mir ist völlig bewusst – nicht jeder hat die Möglichkeit, beliebig irgendwo Bäume zu pflanzen – und selbst wenn es jeder täte, es rettet die Situation nicht – wir leben schlicht zu sehr über unsere Verhältnisse. Es geht um den ersten Schritt, umdenken, etwas tun – denn jeder von uns hat die Möglichkeit, etwas in seinem Leben zu ändern.

PS: Die Frage oben wurde mir übrigens nicht an irgendeinem Stammtisch gestellt, sondern im Podium einer recht illuster besetzten Runde eines Ministeriums unseres Landes.

PPS: Ich bin ja sonst eher so ein ruhiger – aber das musste mal raus!
HA!

Über den Autor

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im Podcast seit 2019

Blogger seit 2005,

Kaktusgärtner aus Passion - seit 1970,

... in einer Familie von Kaktusgärtnern seit 1822

... und Gärtner in der Blumenstadt Erfurt seit 1685