Eine Support-Story.

Heute früh meldet sich die Heizung und sagt: „hab kein Gas anliegend“

Alles nicht so schlimm, das ist vielleicht nur temporär, im Moment bollert der Ölkessel – und mit Ausnahme der drei Störungen von gestern auch problemlos.

Heute abend um 17.10 Uhr gibts immer noch kein Gas. Das ist nicht mehr temporär. Also fragen wir doch mal bei der Störungsstelle nach. Grmpf. Da ist eine nette Dame die sagt: gleich der nächste Mitarbeiter der nicht mehr im Gespräch ist – ist mein.

17.25 Uhr – Nach 15 Minuten finde ich: „gleich“ ist jetzt vorbei. Meine Finger sind schon ganz schön kalt draußen. Da stecke ich besser mal das Headset dran, da friert mich nix.

18.10 Uhr – wie gut, dass Handyakkus so lange halten. Ich setze mich ins Auto und mache mich auf den Weg zu den Stadtwerken – vielleicht gibt es ja dort ein Annahmefensterchen für persönliche Beschwerden. Unterwegs höre ich weiter die Haltemusik und empfinde die akustischen Störungen als störend. (60 Minuten lang „gleich“)

Etwa 18.20 Uhr – drehe ich eine Runde um den imposanten Glasklotz der Stadtwerke Erfurt Gruppe. Der Monolith liegt in völligem Dunkel. Nur die Notbeleuchtung der Treppenhäuser glimmt matt. Rundherum Überwachungskameras, die mein verbotenes befahren der Fußwege sicher bemerken, aber leider keinerlei Aktion auslösen. Alles bleibt ruhig und ergebnislos. Auf beschwerende Kunden am Wochenende und außerhalb der christlichen Dienstzeit ist man hier offenbar nicht vorbereitet. Kein Nachtschalter. Bestimmt kommt sowas auch einfach niemals nicht vor. – Außer bei uns. Aber halt! Hier ist Licht. In einem Raum, ebenerdig, dezent mit Sesseln und zwei Ledercouches eingerichtet und frischen Blumen auf dem Tisch (am Sonntag!!) – die Tür zum Flur steht offen und die Nachttischlampe leuchtet. Ich warte, ob vielleicht jemand diese Idylle beziehen möchte – aber es bleibt hell und leer. Niemand da.

Um 18.37 Uhr bin ich unverrichteter Dinge wieder auf dem Heimweg, freue mich immer noch über das Durchhaltevermögen meines Telefons und die nett gehauchten jungen Dame am anderen Ende – es ist halt nur eine recht einseitige Sache. Es könnte ja wirklich was ernstes sein. Vor meinem geistigen Auge entrollt sich das Bild der üblichen Steuerzentralen mit blinkenden Monitoren und unzähligen Telefonen1. Zehntausende aufgebrachter Erfurter rufen dort an, weil die Bratkartoffeln auf dem Gasherd halbgar bleiben. Ach was – dann hätte es schon längst eine Sondermeldung im Radio gegeben. Ganz anders: Ein gemütlich eingerichteter Raum – genau – der wie oben beschrieben. Draussen an der Tür steht Notrufzentrale -Gas-. Auf den komfortablen Ledersesseln flätzen zwei Männer. Der eine schlummert, darum kann er ja nicht sehen, das sein Telefon ununterbrochen blinkert – mehr kann es nicht, es ist auf leise gestellt. Der andere hat sein Telefon am Ohr – es geht aber nicht um Gas. Nein – das ist auch Quatsch. Also wenn es eine Störung gäbe – dann ist da was im Internet zu finden – und danach schaue ich, wenn ich wieder zu Hause bin. (es sind jetzt über 1 1/2 Stunden „gleich ist jemand für Sie da“)

18.47 Uhr – Fehlanzeige – im Internet ist keine Störung angeschlagen – sieht aber auch nicht so aus, als würde es einen solchen Service im Ernstfall geben. Aber ich stelle fest – die Telefonnummer die ich nun seit fast 100 Minuten beklingele ist die richtige. Ich kann auch anders. Ich hab ja noch ein Telefon -vielleicht wissen die Kollegen von der Fernwärmeversorgung ja, ob es Gas gibt – die brauchen das ja schliesslich auch.

18.53 Uhr habe ich an jedem Ohr Musik und die selbe junge Dame die sagt: „gleich…“ Nur sind Ansagen und Musik nicht syncron – und das hält keiner lange durch. Eben will ich auflegen, da kommt ein Mann zu den Damen. Jetzt muß ich kurz überlegen, welcher der beiden Notrufe da spricht. Es sind die Fernwärmer. Nein, er wisse nichts von einer Störung, aber das muss nichts heißen. Er leitet mich mal an die Kollegen von Strom und Netz weiter, die sind näher am Gas. Daraus wird aber nichts, er verspricht aber sich zu melden, sobald er etwas neues erfährt. Ich bleibe zurück im Ungewissen, allein mit meiner ersten „gleich“-Dame und den Zweifeln, ob ich noch jemals was hören werde, bevor mein Telefon leer ist.

IMG_4708_Kurz vor Sieben – mein Telefon klingelt – die Gasversorger wollen wissen, ob im ganzen Haus kein Gas sei. Ich denke bei mir, das könne man aber missverstehen und erkläre dem guten Mann den Sachstand. Als ich „Gärtnerei“ sage, glaube ich etwas zu hören. Dann sagt er, wir kümmern uns. Ich verabschiede mich darauf mit einigen freundlichen Worten von der Dame an meinem anderen Ort, die aber immer noch nichts erwidert.

19.20 Uhr. Draußen auf dem Parkplatz postiert sich ein Entstörfahrzeug vor einem Gaskasten. Weitere 15 Minuten später ist das Gas wieder da, der Kessel ist wieder online.

Schönes Fazit: der Fehler – hm, hat keiner rausbekommen, was das war. Hauptsache, es geht alles wieder.

Die haben Nerven.

  1. im Film werden von dort aus meist diffizile Raummanöver überwacht, die über den Fortbestand der gesamten Menschheit  entscheiden []

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... in einer Familie von Kaktusgärtnern seit 1822

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